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7. Juni 2018

Blog

Gut für die AHV

Die neuen Beschlüsse zur AHV-Finanzierung sind rundum positiv. Das Votum zum STAF im Ständerat.



Es gibt Dinge im Leben, die sich wie vorhergesehen entwickeln. Und andere, bei denen das weniger der Fall ist. Dann ist die Würdigung der neuen Ausgangslage anspruchsvoll. Aber wir sind dafür gewählt, auch mit unvorhergesehenen Konstellationen umzugehen. Und eine eigene Beurteilung vorzunehmen und zu verantworten.

Die Stellungnahme zur Steuervorlage 17, so wie sie der Bundesrat verabschiedet hatte, wäre einfach gewesen. Nur zu klar war, dass diese Antwort des Bundesrates auf das Volksnein zur Unternehmenssteuerreform III unhaltbar war. Trotz der geschlossenen Unterstützung durch Wirtschaftsverbände, bürgerliche Parteien und Kantonsregierungen. Das war ja bei der gescheiterten Vorlage genauso gewesen. Das Volk schluckt kein so einseitiges Projekt. 

Jetzt aber stehen wir vor einer neuen Ausgangslage. Die Kommission hat die Vorlage in wichtigen Punkten korrigiert. Darum braucht die neue Vorlage «Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung» (STAF) auch eine neue Würdigung. 

Rundum positiv sind die neuen Beschlüsse zur AHV-Finanzierung. Es geht nicht nur um die zwei Milliarden Franken Zusatzeinnahmen, die auch eine positive Dynamik für die Zukunft haben. Die Kombination von mehr Bundesmitteln mit Lohnpromillen ist eine soziale Finanzierung der AHV-Renten. Bundesmittel beruhen schwergewichtig auf Steuern. Und die Lohnpromillen sind nicht nur beim Arbeitgeberanteil positiv. Auch der Arbeitnehmeranteil ist bei der AHV bis zu einem Einkommen von 150‘000 Franken hoch rentabel. Das einkommensstärkste Prozent der Einkommen kommt für fast zehn Prozent der AHV-Beiträge auf. Oder in Zahlen: Wer fünf Millionen Lohn und Bonus kassiert, der zahlt auf seinem Einkommen heute 420‘000 Franken in die AHV, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag zusammengerechnet. In Zukunft werden es 435‘000 Franken sein. Hohe und höchste Einkommen müssen bei der AHV voll mitzahlen. Das unterscheidet die AHV von anderen Versicherungen.

Die Lohnbeiträge an die AHV sind nun seit 1975 nie mehr angepasst worden. Also seit mehr als 40 Jahren. Und seit dem ersten Mehrwertsteuerprozent für die Demografie vor 20 Jahren gab es keine neuen Einnahmen mehr für die AHV. Die neue Zusatzfinanzierung ist überfällig. Sie gibt für die nächsten Jahre Luft. Auch für eine soziale Reformvorlage, die nicht mehr unter Abbaudruck steht. Oder der Drohung mit einem höheren Rentenalter. Die 2 Milliarden für die AHV sind ein entscheidendes Argument für das Ja zum Paket der Kommission. 

Positiv kann gewertet werden, dass die im internationalen Verhältnis unhaltbar gewordenen privilegierten Steuerstatus mit dieser Vorlage beseitigt werden. Das ist ein wichtiger Schritt zur Abschaffung der schädlichen Steuerpraktiken, wie sie durch die OECD definiert werden.

Positiv ist aber beim Steuerteil der Vorlage aber auch die Bundesebene. Die Einnahmen auf Bundesebene sind nämlich durchwegs gesichert worden. Im Gegensatz zur seinerzeitigen Unternehmenssteuerreform III. Auch in Zukunft bleibt auf Bundesebene die volle Steuerpflicht der Unternehmen erhalten. Kommt hinzu, dass auf Bundesebene die Steuerpflicht der Dividenden auf 70% erhöht und die Steuerausnahmen beim Kapitaleinlageprinzip teilweise aufgehoben werden. 

Man würde sich zwar wünschen, dass die Korrektur beim Kapitaleinlageprinzip und bei der Dividendenbesteuerung weiter gehen würde. Es gibt keinen Grund dafür, Dividenden tiefer zu besteuern als Lohneinkünfte. Aber der Vorschlag der Kommission geht erstmals seit Jahren in die richtige Richtung. Die skandalöse Unternehmenssteuerreform wird teilweise rückgängig gemacht. Aktionäre müssen künftig mehr Steuern zahlen als unter den Regeln der Unternehmenssteuerreform II.

Problematisch und negativ sind die teilweise massiven Steuersenkungen für Unternehmen, wie sie in verschieden Kantonen geplant werden. Das aber ist eine Entwicklung nicht beim Bund, sondern in den betroffenen Kantonen. Es ist nicht einfach, die Übersicht über die geplanten Massnahmen zu erhalten. Erschwert wird dies dadurch, dass eine Reihe von Kantonen mit starken Steuersenkungen für die Unternehmen schon vorangegangen sind oder aufgegleist haben. Unabhängig von der Vorlage, über die wir heute beraten. 

Ich möchte hier ausdrücklich festhalten: Es gibt auch heute keinen Grund, die Unternehmenssteuern generell zu senken, nur weil eine beschränkte Zahl davon bisher privilegierten Unternehmen in Zukunft auch ordentlich Steuern bezahlen müssen. Die Schweiz hat im internationalen und im europäischen Vergleich auch ohne weitere Steuersenkungen tiefe Unternehmenssteuern. Kommt hinzu, dass es bis zur ordentlichen Besteuerung der bisher privilegierten Gesellschaften eine lange Uebergangsfrist gibt. Auch Unternehmen müssen Steuern bezahlen. Sie beanspruchen die Leistungen des Staates angefangen von der Infrastruktur, der Bildung und Ausbildung bis hin zum Rechtsstaat und zur Justiz genauso wie die natürlichen Personen. Also sollen auch die Unternehmen entsprechend Steuern zahlen. 

Leider kennen wir heute keine materielle Harmonisierung der kantonalen Steuern auf Bundesebene. Zum Beispiel durch Mindeststeuersätze. Kritischer Punkt der Vorlage bleibt der Beitrag an die Kantone, der über einen höheren Anteil an der direkten Bundessteuer ausgerichtet wird. 

Es ist allerdings nicht gesagt, dass die Kantone die zusätzlichen Beiträge aus der direkten Bundessteuer für Steuersenkungen verwenden müssen und sollen. Die höheren Beiträge sind nicht zweckgebunden. Wie schon die Botschaft des Bundesrats sagt, kann der Kanton diese Mittel ebenso gut für Investitionen in die Infrastruktur einsetzen. Dazu gehört beispielsweise die Finanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Oder, was manchenorts dringlich wäre, eine substanziellere Finanzierung der Prämienverbilligungen.

Dieser Kampf gegen verfehlte Steuersenkungen für die Unternehmen und für sinnvolle Investitionen muss aber in den Kantonen geführt werden. Absehbar als erstem Kanton in Bern.

In einer Gesamtbeurteilung komme ich deshalb zum Schluss, dass die Vorlage aus der Kommission Unterstützung verdient.

Zum Schluss: Wie seinerzeit bei der Altersvorsorge halte ich zur Vermeidung von Missverständnissen wieder fest, was eigentlich selbstverständlich ist. Ich nehme hier persönlich und in meiner Funktion als Ständerat Stellung. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund, den ich präsidiere, wird seine definitive Stellungnahme am Schluss der Beratungen wie immer demokratisch entscheiden.