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31. Mai 2017

Blog

Kein Abschieben an die Billigkassen!

EL-BezügerInnen soll nur noch die Prämien der billigsten Kassen vergütet werden. Doch Billigkassen erbringen oft schlechte Leistungen. Eine unwürdige Sparübung auf dem Buckel der Ärmsten.



Die Ergänzungsleistungen sind eine zentrale und unverzichtbare Säule der sozialen Sicherheit. Sie sichern die Existenz jener, die mit den Renten der ersten und zweiten Säule und einem allfälligen Vermögen nicht über die Runden kommen. Rund 12 Prozent der AltersrentnerInnen sind derzeit darauf angewiesen, also etwas mehr als jeder Zehnte im AHV-Alter.

Bei der IV ist es bald einmal jeder zweite, über 45 Prozent. Das ist vor allem auch eine Folge der Sparprogramme und des Leistungsabbaus bei der IV. Die starke Abhängigkeit der IV-RentnerInnen von den EL sollte uns für die Zukunft zu denken geben. Es zeigt nichts anderes, als dass die Rentenleistungen im Invaliditätsfall immer stärker hinter dem Bedarf hinterherhinken.

Die letzte EL-Revision von 2006 war eine positive sozialpolitische Revision. Einer der sozialpolitischen Lichtblicke in den sozialpolitisch schwierigen Nullerjahren. Verschiedene Verbesserungen wurden damals realisiert. Sie waren und sind für die Betroffenen wichtig. Heute müssen wir aufpassen, dass sie nicht wieder verloren gehen. Denken wir etwa an die Vermögensfreigrenzen.

Der wichtigste Fortschritt der Revision von 2006 war die Aufhebung der Höchstbeträge für die EL. Sie hatten vorher viele Rentner nach dem Eintritt ins Heim zusätzlich zur EL in die Sozialhilfe getrieben. Eine unwürdige Situation am Ende eines ganzen Lebens. Mit der Aufhebung der EL-Begrenzung durch die Revision vor zehn Jahren gibt es in der Schweiz so etwas wie eine Pflegeversicherung, die darüber hinaus über die Steuern auch noch sozial finanziert ist. Richtigerweise wird dieser grösste Fortschritt der damaligen Reform nicht in Frage gestellt. Bei den anderen Punkten muss man aber aufpassen, dass die EL auf der Höhe ihrer Aufgabe bleibt. Denn die meisten Punkte der Revision, die wir heute beraten, sind für die Betroffenen kritisch.

Eine positive Ausnahme ist die Anhebung der Mietzinsgrenzen für die anrechenbaren Ausgaben, die jetzt endlich realisiert werden soll. Es ist unverständlich, dass die anrechenbaren Mietzinsen seit 2001 nie mehr angepasst worden sind. Und das obschon der Mietpreisindex allein bis 2014 um 21 Prozent gestiegen ist.

Hier eine Frage an den Bundesrat. In der Kommission ist uns erläutert worden, dass der Bundesrat aufgrund von Art. 19 des Gesetzes schon heute die Möglichkeit hätte, auch die anrechenbare Mietzinsgrenze selbständig anzupassen. Ich frage den Bundesrat: Ist er bereit, in Zukunft von dieser Kompetenz Gebrauch zu machen? Es kann doch nicht sein, dass wir in vielleicht fünf bis zehn Jahren genau wieder in den gleichen unzumutbaren Zustand geraten, obwohl der Bundesrat die Kompetenz zur Anpassung dieser Werte hat.

Fragwürdig und in den Auswirkungen für die EL-BezügerInnen schlecht sind die vorgeschlagenen Anpassungen bei den Krankenkassenprämien. Ganz besonders gilt dies für den Mehrheitsentscheid der Kommission. Er würde die EL-BezügerInnen in Zukunft in die Billigkassen mit schlechten Leistungen zwingen. Das kann nicht sein. Die Debatte dazu werden wir in der Detailberatung führen.

Einig waren wir uns in der Kommission, dass für die Zukunft der Einbezug der realen Krankenkassenprämien in die EL-Berechnung geprüft werden muss. Die Krankenkassenprämien gehören zu den Zwangsabgaben, so wie die anderen zwingenden Ausgaben, die anrechenbar sind. Im Vergleich zum heutigen System wäre das naheliegend und logisch und würde uns dazu noch viel Bürokratie und Streit ersparen. Weil damit aber Kostenverschiebungen auf den Bund in der Grössenordnung von einer Milliarde verbunden sein könnten, muss das im grösseren Zusammenhang des Nationalen Finanzausgleichs geprüft werden. Diese Prüfung muss mit Blick auf die Konsequenzen rasch angegangen werden.

Zum Schluss eine Bemerkung zum Verhältnis zur Altersvorsorgereform, über die wir im September abstimmen werden. Dank der Verbesserungen der AHV-Renten für die NeurentnerInnen wird bei den AltersrentnerInnen die Abhängigkeit von den EL in Zukunft wieder sinken. Das ist eine gute Sache, für die Betroffenen wie für den Bund und die Kantone. Die EL-Botschaft hatte mit diesen Spareffekten noch nicht gerechnet. Umso weniger darf jetzt noch stärker an der Sparschraube gedreht werden.

Und noch ein Wort an die Adresse jener, die im Zusammenhang mit der Altersvorsorgereform – aber nur hier – plötzlich zu glühenden Anhängern der EL werden. Und mangels besserer Argumente statt von den Renten am liebsten von gar nichts anderem reden als von den EL-BezügerInnen. Wenn es aber um EL-BezügerInnen geht, dann entscheidet sich ihr Schicksal hier, mit der Gesetzgebung über die Ergänzungsleistungen.

Mit der heutigen Vorlage entscheidet sich, ob sich die finanzielle Lage der EL-BezügerInnen verschlechtert oder verbessert. Sie haben es in der Hand, beim Entscheid über die Krankenkassenprämien, beim Entscheid über die Vermögensfreigrenze und bei den Mietzinsmaxima dafür zu sorgen, dass sich die Lage der EL-BezügerInnen nicht verschlechtert, sondern verbessert.

Es gilt der Grundsatz: Wer sein Leben lang gearbeitet und/oder Kinder erzogen hat, der soll im Alter von den Renten der AHV und der Pensionskasse anständig leben können, ohne auf die EL angewiesen zu sein, wenn man vom Risiko des langandauernden Heimaufenthalts absieht. So will es unsere Verfassung, und so wollen es unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Für die meisten ist es kein Vergnügen, EL-abhängig zu werden, Gesuche stellen und die Lebenslage und den notwendigen Lebensbedarf nachweisen zu müssen. Das ist auch der Grund dafür, dass viele den Gang zur EL scheuen, solange es noch irgendwie anders geht.

Aber wer im Alter zu den gut 10 Prozent gehört, die es finanziell nicht schaffen, für den sind die EL entscheidend. Sie sollen ein menschenwürdiges Leben führen können. Im Vergleich zur Sozialhilfe sind die EL ein Segen. Deshalb verteidigen wir die EL. Und deshalb erträgt es keine Abstriche.