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1. Dezember 2018

SGB-Kongress

1998-2018: Eine bewegende, lehrreiche Zeit der Veränderung

Die Reden von Vasco Pedrina und Vania Alleva zum Abschied von Paul Rechsteiner als SGB-Präsident.



Die Wahl von Paul Rechsteiner am Kongress 1998 war ein Wagnis: Zum ersten Mal kam jemand an die Spitze des SGB, der nicht Präsident eines Mitgliederverbandes war, ein ganz linker Parlamentarier, ziemlich unbekannt in der lateinischen Schweiz. Seine Wahl stand schon damals für Veränderung, für die Notwendigkeit einer organisatorischen und politischen Umorientierung unserer Bewegung.

Paul konnte aber schnell Fuss fassen. Zuerst gewann er das SGB-Sekretariat für sich. Dessen leitende SekretärInnen der letzten zwanzig Jahre sind sich einig: Paul hat rasch gezeigt, dass er die hohe Schule des Führens beherrschte, auch weil er exzellent zuhören und blitzschnell die Dynamik von Prozessen durchschauen kann. Paul hat den SGB ohne Lärm geführt. Er hat die Kunst beherrscht, sich zurückzunehmen an Sitzungen, soweit möglich, und nur einzugreifen, wenn es nötig war. Er war kein ängstlicher Chef, man kennt seine Liebe für das Freche und das Spielerische in der Gewerkschaftspolitik. Im Verhältnis zu seinen Ressourcen liefert das SGB-Sekretariat seit Jahren den grössten und besten Output von allen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden: Paul hat eine Gabe, sehr fähige Leute um sich zu scharen.

Paul konnte auch rasch das Vertrauen aller Mitgliederverbände gewinnen. Sein Einsatz für die Anliegen der einzelnen Gewerkschaften und seine integrative Art haben wesentlich dazu beigetragen, dass die verschiedenen Umbauprozesse über die Bühne gehen konnten, ohne die Einheit der Bewegung in Frage zu stellen. Strategisches Geschick bewies Paul früh, als er die betroffenen Verbände und den SGB auf einen klaren Kurs der Verteidigung und Stärkung der öffentlichen Infrastruktur und des Service Public brachte, dies mitten in einer Phase der Privatisierungen, welche die Gewerkschaften ins Schleudern gebracht hatte. Das erfolgreiche Referendum gegen die Strommarktliberalisierung 2002 leitete die gewerkschaftspolitische Wende in dieser Frage ein. 

Paul hat auch einen massgeblichen Beitrag zum Gelingen der angestrebten Öffnung des SGB geleistet. Ein Dutzend Arbeitnehmerorganisationen, bei denen das zuvor undenkbar gewesen wäre, sind in den Jahren seit 2000 in den SGB eingetreten. Paul hat stets die Arbeitnehmervertretung in ihrer Gesamtheit im Auge gehabt. Leider führten seine Anläufe, die historische Spaltung mit der christlichen Gewerkschaftsbewegung zu überwinden, nicht zum erhofften Erfolg. Verschoben ist aber nicht aufgehoben. Immerhin konnte die Zusammenarbeit sowohl mit Travail.Suisse als auch im Rahmen der verbandsüber­greifenden Ebenrain-Konferenz in dieser Zeit deutlich verstärkt werden.

Die Bedeutung der Frauen und ihrer Anliegen für die Erneuerung und Dynamisierung der Gewerkschaften und der Gesellschaft ist bei Paul immer sehr gegenwärtig. Ein Meilenstein war hier das Ziel von 100‘000 weiblichen Mitgliedern, das der SGB sich am Kongress von 2002 setzte und dann auch verwirklichte. Mit der fortschreitenden gewerkschaftlichen Organisierung von Dienstleistungsbranchen ist das Gewicht der Frauen deutlich gestiegen, wie die Grossdemonstration von 2015 und natürlich jene vom 22. September 2018 eindrücklich zeigten. Besonders stark hat sich Paul für die Durchsetzung der Lohngleichheit eingesetzt. Auch wenn das Ergebnis des Lohngleichheitsdialogs ungenügend blieb, wurde dabei doch wenigstens die jahrelange politische Blockade zur Revision des Gleichstellungsgesetzes gelöst. Diese Revision reicht aber nicht! Es braucht einen weiteren Schub! 

Von einer kopernikanischen Wende spricht Paul selber, wenn es um die Ablösung des alten Kontingentierungssystems für MigrantInnen durch die sozial flankierte Personenfreizügigkeit geht. Paul, der die Flankierenden Massnahmen mitgestaltet hat, war auch in seinem letzten Amtsjahr der Erste, der realisierte, dass die Angriffe aus der EU und aus Bundesbern auf die FLAM nur mit einem harten Kurs abzuwehren sind. Für diese Haltung hat er Monate lang mediale Prügel stoisch kassiert. Es war für ihn ausreichende Genugtuung, von der breiten Arbeitnehmerschaft getragen zu werden. Selten ist die heutige Veto-Macht der Gewerkschaften in der Öffentlichkeit so fassbar geworden, wie in der aktuellen Auseinandersetzung.

Einer seiner engsten Mitkämpfer sagt: «Paul ist in verschiedener Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung in der Politik, aber insbesondere wegen seiner unglaublichen Fähigkeit, auf ein Thema und eine Forderung zu fokussieren. Es geht dabei immer um die Sache; und weil, was er anpackt, immer wichtig ist, ist er in der Politik vollkommen ernst. Von ihm gibt es keine schrägen Geschichten, kein politisches Theaterspiel, keine dummen Sprüche.» Paul wird von unserer Basis und von seinen WählerInnen auch deswegen hoch geschätzt. Seine Ernsthaftigkeit und seine Zurückhaltung verwirren hingegen manche Gegenspieler und Medienleute, die ihn gerne als einen trockenen Mann wahrnehmen wollen, ohne jeglichen Humor. Es stimmt natürlich nicht, wie wir wissen. Paul hat eine lockere Seite und einen ausgesprochen feinen Sinn für Humor. 

Eine weitere Wende in Pauls Ära als SGB-Präsident fand in der Lohnpolitik statt. Jahrzehntelang hat bei uns die Doktrin gegolten, dass die Löhne ausschliesslich Sache der Branchen seien. Die Politisierung der Löhne in den Mindestlohnkampagnen bedeutete einen Bruch mit der Vergangenheit, der sich für die Betroffenen aber sehr bezahlt gemacht hat. Ein mutiger Kurswechsel, der zuerst nicht unumstritten war, und den Paul erst nach reiflicher Überlegung gepuscht hat. Sowieso hat er selten sofort «Ja» gesagt, sondern zuerst geprüft und sich damit grobe Fehler erspart. 

Als ausgesprochener Bewegungsmensch hat Paul Mobilisierungen und Streiks in den Branchen kräftig unterstützt. Ihre Zunahme war meistens Restrukturierungen geschuldet, die einer neoliberalen Logik entsprachen. Negative Folgen im Sinne einer Verhärtung der Vertragspartnerschaft in den Branchen konnten bis jetzt in Grenzen gehalten werden. Auch dank der Flankierenden Massnahmen und entgegen dem europäischen Trend wurde das GAV-System sogar verstärkt. Auf der politischen Ebene der Dachverbände sieht die Entwicklung weniger gut aus. Die SVP-isierung der Dachverbände der Arbeitgeber hat zu einer Schwächung der Rolle der Sozialpartnerschaft geführt. Paul wäre nicht Paul, wenn er nicht einen Ausweg gesucht hätte. Neben der Stärkung der Mobilisierung betrieb er eine Verlagerung der Kompromisssuche ins Parlament, etwa bei der Umsetzung der «Masseneinwanderungsinitiative». So konnte der Schaden auch hier minimiert werden. 

Paul reisst die Leute mit seiner Rhetorik nicht vom Stuhl. Und trotzdem findet er einen unglaublichen guten Zugang zu ihnen – weit über unsere Kreise hinaus. Seine für viele überraschende Wahl als Ständerat war dafür eine eindrückliche Bestätigung. Bestimmt hat es mit seiner Intelligenz, seinem immensen Wissen zu tun und mit der Art wie er diese Qualitäten einsetzt. Sicher erklärt es sich auch mit dem Draht, den er im täglichen Dialog mit Leuten aus allen Milieus sofort findet. Aber noch entscheidender ist die echte Glaubwürdigkeit, die er ausstrahlt. Er hat sie in unzähligen Einzelkämpfen als Anwalt der einfachen Leute, in vielen kollektiven Aktionen als Gewerkschafter und Politiker gewonnen. Seine Gradlinigkeit wird offensichtlich honoriert. Wie der ehemalige Leiter der GBI-Sektion St. Gallen sagt: «Die Leute verstehen nicht immer was er sagt, aber sie glauben ihm!»

Die Qualität eines Präsidenten des SGB misst sich auch an seiner Fähigkeit, unsere Bewegung vor eigenen Fehlern und Dummheiten zu bewahren. Vielleicht hat es ihm geholfen, dass seine Vorgänger ihm eine schwere Last hinterlassen haben: Fünf Volksinitiativen als ein Reformprogramm für die Schweiz, rückblickend aber ein Zeichen von Übermut. Keine lustige Erfahrung. Auf jeden Fall hat die Fehlerquote des SGB sich in seiner Präsidialzeit dann auf sehr tiefem Niveau eingependelt, trotz dem öfters wiederkehrenden Druck, Irrwege zu beschreiten. Selbst verloren gegangene Volksinitiativen, wie die zum gesetzlichen Mindestlohn, wurden als offensive Projekte richtig auf die politische Agenda gesetzt. Sie haben sich als erfolgreiche Niederlagen erwiesen!

In früheren Jahren, als meine Tochter das Telefon abnahm, sagte sie mir manchmal: «Der Mann, der schnell redet, ist am Apparat». Paul spricht nicht nur schnell, er denkt schnell und wenn ein politisches Zeitfenster für einen vorteilhaften Kompromiss sich öffnet, handelt er auch mit Tempo! An vielen der wichtigsten politischen Kompromisse der letzten Dekaden war er aktiv oder sogar führend beteiligt. Wenn es der Sache diente, hatte er dabei nie ein Problem, auf die eigene Profilierung ganz zu verzichten. Bei diesen politischen Schachzügen hat Paul manchmal einige unserer Leute überfordert, die es kaum schafften, Kopf und Herz in Einklang zu bringen und ihm zu folgen. 

Paul hätte gern eine offensivere Politik im Bereich der Arbeitsrechte und der Sozialversicherungen geführt. Es fehlte nicht an Anläufen. Gewisse Durchbrüche, wie die Verankerung des Streikrechts in der revidierten Bundesverfassung, konnten so erzielt werden. Aber wegen dem sozialpolitischen Gegenwind musste der SGB vor allem auf die Verteidigung von Errungenschaften fokussieren. Bewundernswert ist wie Paul bittere Niederlagen, zum Beispiel das Nein des Volkes zur AV2020, wegstecken kann. Diese Fähigkeit – zusammen mit der Fähigkeit abzuschalten, um seinen vielfältigen kulturellen Interessen nachzugehen – erklärt möglicherweise die stets jugendliche Frische und sein unverändertes Aussehen trotz zunehmendem Alter. Tröstend sagte er mir nach der Abstimmung zur AV2020: Immerhin haben wir Zeit gewonnen und den Abbau der Altersvorsorge bisher verhindert, der überall sonst in Europa stattfand. In der Tat eine bemerkenswerte Leistung unserer Bewegung. Nicht genug: Nach Niederlagen und in den schwierigsten Situationen sucht er konsequent nach neuen Opportunitäten. Die geplanten zwei zusätzlichen Milliarden pro Jahr für die Finanzierung der AHV sind eine solche Chance.

Von Kollegen, die selber die Tendenz haben, die Rolle der Gewerkschaften – als eine Art linke Ersatzpartei – falsch einzuschätzen, musste Paul sich in letzter Zeit anhören, dass der SGB zum Handlanger der SP geworden sei. Fehlanzeige. Paul hat in Wahrheit die Kunst beherrscht, sowohl 

 

  • Die politische Unabhängigkeit des SGB konsequent zu verteidigen, 
  • Die Vorherrschaft der Gewerkschaften im linken Spektrum zu sichern, wenn es um die Hauptanliegen der Werktätigen ging, und
  • Den SGB zurückzunehmen, wenn es um Dinge ging, die zur Parteipolitik gehörten. 


Der SGB wäre gut beraten, diesen erfolgreichen Kurs weiter zu verfolgen. Nach seiner Rückkehr aus Trump-Amerika diesen Sommer sagte er mir, wie wichtig es sei, dafür zu sorgen, dass die SP und andere linke Kräfte Verständnis für gewerkschaftliche Anliegen behalten, was ja nicht selbstverständlich ist. Dass die Zukunft nicht rosig ist, wenn der Einfluss der Gewerkschaften auf die Politik schwindet und wenn die Sozialdemokratie die Arbeitnehmerinteressen fallen lässt, zeigen zum Beispiel die äusserst negativen Folgen der Agenda 2010 in Deutschland für das untere Drittel der Gesellschaft, aber auch für die SPD. Vor diesem Hintergrund kann die Bedeutung des Umstands gar nicht überschätzt werden, dass SPS und Grüne in der Auseinandersetzung um das Rahmenabkommen mit der EU uns nicht in Stich gelassen haben.

Paul ist in armen Verhältnisse aufgewachsen. Die Härte der Welt hat ihn geprägt. Aus dieser Erfahrung hat er die nötige Kraft geschöpft, um ein Leben lang beharrlich für tiefgreifende Veränderungen der sozialen Verhältnisse zu kämpfen. Paul konnte sich emanzipieren und als «kultureller Intellektueller» hat er es weit gebracht. Er ist trotzdem seiner Herkunft stets treu geblieben. Mir hat es imponiert, wie er die 1. Revision des Unfallversicherungsgesetzes (2011) im Parlament in allerletzter Minute gebodigt und wie er sie dann im zweiten Anlauf zustande gebracht hat (2016). Eine Kürzung von 700 Mio. Franken jährlich bei den IV-Renten im Alter stand auf dem Programm des ersten Anlaufs dieser Revision. Im zweiten Anlauf konnten wir das verhindern. Mit welcher Vehemenz und mit welchem taktischen Geschick Paul diese wichtige Errungenschaft verteidigt hat, das brachte mich damals dazu, zu denken: «Dieser Mann hat beim Verhandeln den ärmsten betroffenen Invaliden im Kopf, den er kennt.» 

Verbiegung der Wahrheit für eigene ideologisch bedingte Zwecke gibt es bei Paul nicht. Verführung und Demagogie liegen ihm fern. In Zeiten, in welchen die Versuchung auch in linken Kreisen unwiderstehlich scheint, auf «Fake News» zu setzen, ist er eine Lichtgestalt. Als Kompass haben ihn einige grundlegende Werte und Fixsterne ständig begleitet, die ihn dazu führten, über den gewerkschaftlichen Tellerrand hinaus zu gucken und zu wirken. Seine Stärke im gewerkschaftlichen Handeln kam auch aus der Breite seiner Interessen und Tätigkeitsfelder. Zwei von ihnen seien hier noch erwähnt.

Die Menschenrechte. Paul hat «Jus» studiert. Wie mancher seiner Generation hat er diesen Weg vielleicht auch gewählt, um die Organisation der Gesellschaft zu begreifen. Als Jurist ist man schnell mit den Menschenrechten konfrontiert. Sein frühes und tiefes Verständnis für den inneren Zusammenhang von bürgerlicher Emanzipation und sozialer Frage, von Freiheit und Gleichheit liefert den roten Faden seines Wirkens. Wenige wissen noch, dass er sich seinerzeit nicht scheute, den Appenzellern mit dem Bundesgericht zu drohen, wenn sie nicht endlich das Frauenstimmrecht einführten. Paul war in der Schweiz ein Motor im Kampf gegen die Apartheid in Südafrika. Er gehörte zum Kern jener Leute, welche die «Fichen-Affäre» ins Rollen brachten. Mit Rekursen am Bundesgericht provozierte er wegweisende Urteile gegen die Gemeinden Emmen und Rheineck, die die Einbürgerung von Leuten aus dem Balkan, bzw. von Muslimen verweigerten. Sein ausserordentliches politisches Gespür kam unter anderem zum Ausdruck bei der Lancierung des Dringenden Aufrufes gegen die SVP-Durchsetzungsinitiative. Anfang Januar 2016, zwei Monaten vor dem Abstimmungs­termin, als die massgebenden politischen Akteure dachten, diese Abstimmung sei sowieso verloren, sagte er mir: «Wir können die Stimmung im Volk noch kehren. Es braucht aber eine beweglichere Truppe als den SGB-Grosstanker und eine breitere politische Abstützung dafür.» Das Vehikel dazu, das er mit einem Vertreter des bürgerlichen Spektrums über Weihnachten-Neujahr sich ausgedacht hatte, war eben der «Dringende Aufruf»; der dann eine entscheidende Rolle beim positiven Ausgang der Abstimmung spielte. 

Die Gerechtigkeit. Einer seiner Freunde sagt: «Pauls Vorstellung von Gerechtigkeit betrifft nicht nur die Zukunft und die Gegenwart, sondern auch die Geschichte. Er zog vieles hervor, was im Schweizer Geschichtsbild unter den Teppich gekehrt, verdrängt wurde. Dafür stehen sein zäher Kampf für die Rehabilitation des Flüchtlingshelfers Paul Grüninger, aber auch für die verurteilten Schweizer Spanienkämpfer, erst recht sein beharrliches Eintreten für die Aufklärung der nachrichtenlosen Konten und des Schweizer Handels mit Nazi-Raubgold.» Ein anderer Weggefährte ergänzt: «Es war für ihn immer auch eine Frage der Menschen­rechte. Mit dieser Haltung hat er von einer klaren linken Position aus die Mitte geholt und politische Mehrheiten geschafft.»

Nicht selten habe ich ihm über die Schwächen unserer Bewegung, insbesondere über unsägliche Konflikte im Gewerkschaftsapparat geklagt. Er hat meistens geduldig zugehört, manchmal etwas erwidert und vor allem immer wieder geschwärmt, wie toll viele Kader und Vertrauensleute unserer Organisationen seien, wie unendlich gross und vielfältig das Potential sei, das in unseren Verbänden stecke. Unrecht hatte er nicht. Mit meiner langjäh­rigen Erfahrung in der internationalen Gewerkschaftsbewegung kann ich bestätigen: Wir gehören trotz allem zu den Besten.

Die Zusammenarbeit mit Paul ist «wie ein Doppelspiel im Hockey, was in der Politik sonst selten der Fall ist», sagt einer seiner Sparring-Partner. Paul ist ein talentierter Teamplayer, der mit den jeweiligen Stärken der Beteiligten sehr gut umgehen kann. Die wichtigste Beraterin, Kritikerin und Stütze überhaupt war dabei – ganz im Hintergrund – seine Partnerin Irene Loebell. Deswegen verdient sie von uns allen ein riesiges Dankeschön der Anerkennung.

Lieber Paul, 
Zwanzig Jahre danach können wir ohne Zögern sagen: Deine Wahl als Präsident ist ein Glücksfall für den SGB gewesen. Trotz dem Mitgliederrückgang in manchen unserer Verbände ist das politische Gewicht des Gewerkschaftsbundes deutlich gestiegen. Du warst entscheidend dafür verantwortlich. Du warst in jeder Hinsicht ein hervorragendes Vorbild für viele von uns. Du warst nicht nur der vermutlich belesenste Gewerkschaftspräsident, den es jemals gab, sondern mit ziemlicher Sicherheit auch einer der besten SGB-Präsidenten unserer langen Geschichte. Für deine NachfolgerInnen hast du die Latte sehr hoch gelegt, was nicht ohne Tücken ist. Aber du hast auch eine solide Grundlage geschaffen, um unsere Bewegung trotz stürmischen Zeiten und zentrifugalen Kräfte weiterzuentwickeln. Ohne Zweifel wird man dich in den Gewerkschaften vermissen. Es bleibt die Gewissheit, dass unsere Verbände weiterhin mit deiner tatkräftigen Hilfe rechnen können, wo sie diese brauchen. Wir wünschen dir weiterhin frischen Wind in der Politik und viel Glück im privaten Leben! Im Namen von uns allen: Un infinito grazie di tutto cuore! Un grand merci! Einen ganz herzlichen Dank!

Vasco Pedrina

 

 

Ein aufmüpfiger Geist


Als Vizepräsidentin habe ich nun abschliessend die schöne Aufgabe, dir, lieber Paul, im Namen des Präsidialausschusses herzlichst zu danken. Ich habe diese Woche eine Blitzumfrage bei einem Teil des Päsidialausschusses gemacht. Das, was ich sage, ist also gut abgestützt, im Gewerkschaftsvokabular würden wir sagen: Sie ist eine konsolidierte Position.


Du warst 20 Jahre lang unser Präsident. Du hast enorm vieles erreicht, auf das du stolz sein kannst. Vasco hat in seiner Rede die wichtigen Etappen genannt. 

Wir danken dir für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Als Präsident hattest du eine starke Hand, und du hast diesen Laden extrem umsichtig und mit Fingerspitzengefühl geführt. Es war dir immer bewusst, dass die Stärke des SGB seine Verbände sind und du hast ihnen Sorge getragen. Du warst immer sehr nahe dran, hast aber die Besonderheiten und Eigenständigkeiten jedes Verbandes immer respektiert.

Wenn wir die Zusammenarbeit und deinen Führungsstil definieren, wollen wir dies mit drei Charakteristika tun:

  • Deiner Integrationskraft
  • Deiner Integrität
  • Deiner klaren Vision


Integration: Du hast immer wieder betont, ja, geradezu Begeisterung gezeigt für das, was du «die kollektive Intelligenz unserer Bewegung» nennst. Du hast das immer als kostbares Gut und Reichtum betrachtet. So konnte aus jeder noch so schwierigen Debatte und Auseinandersetzung, eine noch bessere und klarere Position entwickelt werden, für die wir dann gemeinsam gekämpft haben.
Und das ist eine grosse Leistung, denn Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen sind bekanntlich nicht die Einfachsten. Und im Präsidialausschuss sind alles starke Persönlichkeiten, die ihrerseits komplizierte Gefüge führen. Die alle zusammen aber auch enorme Dynamik entwickeln können. Die Kraft unserer Bewegung. 
Du hast geschaut – immer die Sache im Zentrum – dass alle im Präsidialausschuss und im Vorstand einbezogen waren. Auch in schwierigen Momenten hast du, immer stets positiv nach vorne blickend, die Kraft unserer vielfältigen Bewegung unterstrichen.
Du hast uns immer wieder alle zusammengebracht hinter gemeinsamen Zielen. Das ist Integrationskraft!


Das zweite Charakteristikum, Integrität: Wir kennen kaum Personen von so grosser Integrität wie du. Du warst immer klar parteiisch, parteiisch für die Rechte der Arbeitnehmenden. In deinen 20 Jahren an der Spitze des SGB hast du aber nie Parteipolitik betrieben. Auch hast du dich nicht in der Eitelkeit der Machtpolitik verloren. Du hast immer die Anliegen der Arbeitnehmenden in den Vordergrund gestellt. Diese Integrität hat dir, hat uns Kraft gegeben!

Das dritte Charakteristikum, Klare Vision: Dein unermüdlicher Einsatz für die gerechte Sache, mit einer politischen Vision hat dir, hat uns Orientierung gegeben.
Es ist die Vision einer Gesellschaft der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Solidarität, in der jeder und jeder unveräusserliche Rechte hat. Rechte, die auch respektiert werden müssen und gegen alle Angriffe verteidigt werden müssen. 
Diese Vision kommt bei dir nicht als abstrakte Utopie daher, sondern als real, greifbar.
Diese Orientierung ist gerade in schwierigen Zeiten besonders nötig und wichtig, denn sie ermöglicht uns, unseren Einsatz für die Rechte der Arbeitnehmenden in konkrete Verbesserungen zu übersetzen. 


Und ich will mit einer Redewendung von dir schliessen. Eine Redewendung, die immer dann kam, wenn grosse Auseinandersetzungen und Herausforderungen vor uns lagen: «Es wäre ja gelacht», hast du immer gesagt, «es wäre ja gelacht, wenn wir das nicht erreichen».
Diesen aufmüpfigen, diesen rebellischen Geist werden wir weiterpflegen.


Ganz herzlichen Dank Paul. Du wirst uns fehlen!

Vania Alleva