Am Samstag wird in St.Gallen die neue Publikumsbibliothek in der Hauptpost eröffnet. So erfreulich dieser kulturpolitische Ostschweizer Jahreshöhepunkt ist, so notwendig ist es, daran zu erinnern, dass es eine Volksbewegung brauchte, um den Durchbruch zu schaffen. Blenden wir zurück. 2009 kaufte der Kanton das von der Post nicht mehr benötigte Hauptpostgebäude, um an dieser zentralen Lage das lange geplante Projekt einer grossen Publikumsbibliothek zu realisieren. Mit der kantonalen Steuersenkungs- und Sparpolitik fielen diese Pläne aber kurz darauf zusammen. Im Januar 2011 verkündete die St.Galler Regierung, dass die Bibliothek aus Spargründen nicht realisiert werde.
Gegen diesen Abbruchentscheid formierte sich in der Folge eine breite Volksbewegung. Die Volksinitiative für ein kantonales Bibliotheksgesetz wurde im Sommer 2011 lanciert und anfangs 2012 mit über 10‘000 Unterschriften eingereicht. Die Regierung kam angesichts der eindrücklichen Bewegung auf ihren Entscheid zurück und legte einen Gegenvorschlag vor. Dieser führte zur Realisierung des Projekts für eine Publikumsbibliothek in der Hauptpost vorerst als Provisorium für zehn Jahre verbunden mit einem Gesetz für die Bibliotheksförderung im ganzen Kanton. Wenige Initiativen der jüngeren Zeit waren ähnlich erfolgreich.
Es war im gleichen Jahr 2011, als der Journalist Jörg Krummenacher in der NZZ die Perspektivenlosigkeit der Sparpolitik im grössten Ostschweizer Kanton unter dem Titel kommentierte: „St.Gallen erspart sich seine Zukunft“. Das Beispiel der Bibliotheksinitiative zeigt, dass das damals nicht das Ende des Lateins war und auch in Zukunft nicht sein muss.
Und wenn es noch gelingt, über die Kulturbotschaft des Bundes eine Aufwertung des Weltkulturgutes der Stiftsbibliothek als Zentrum für die Entwicklung der Schriftkultur zu erreichen, wird das für den Bildungs- und Kulturstandort St.Gallen ein richtig gutes Jahr.