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26. April 2020

Blog

Der 8. Mai: Ein Feiertag auch für die Schweiz

Vor 75 Jahren kapitulierte Nazi-Deutschland. Es ist an der Zeit, diesen Anlass angemessen zu feiern.



Am 8. Mai 1945 kapitulierte Nazi-Deutschland vor den alliierten Streitkräften. Europa und die Welt wurden von einem nie dagewesenen mörderischen Regime befreit. Auch für die Schweiz bedeutete der Sieg der Alliierten die Befreiung von einer tödlichen Bedrohung von Freiheit und Demokratie.


Die offizielle Schweiz tat sich 1945 schwer, diese Befreiung zu feiern. Bundesrat von Steiger wollte vor lauter Neutralität das Feiern verbieten («für das Schweizervolk handelt es sich nicht um eine Siegesfeier»), woran sich die Bevölkerung allerdings nicht hielt (Mario König in der NZZ vom 6. Mai 1995). 

Die Nachkriegsjahrzehnte waren von einer national verengten Wahrnehmung der Nazi-Zeit geprägt, wie Hans Ulrich Jost in einem Aufsatz von 1995 zeigte («Interpretationsmuster zum Nationalsozialismus in der Geschichtsschreibung der Schweiz»): Die Nachgeschichte der Schweiz sei steckengeblieben.

Höhepunkt dieser verengten Wahrnehmung waren die «Diamant»-Feiern von 1989. Unter Führung von Bundesrat Villiger wurde mit einem Sonderkredit von 6 Millionen Franken landesweit die Erinnerung an die Mobilmachung vom September 1939 gefeiert. Villiger bestritt jeden Zusammenhang mit der bevorstehenden Volksabstimmung über die Armeeabschaffungsinitiative.

Eine Erweiterung der Perspektiven erfolgte erst durch die Untersuchungen der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (UEK), die ihren auch im internationalen Vergleich bemerkenswerten Schlussbericht im Jahre 2002 vorlegte. Ins Blickfeld kamen nun auch die Opfer der Nationalsozialisten und die internationalen Zusammenhänge. Politisch blieb die Resonanz auf die Erkenntnisse der UEK allerdings bescheiden, wenn man von der Rehabilitation der Fluchthelferinnen und Fluchthelfer absieht, die strafrechtlich verurteilt worden waren, weil sie tödlich verfolgten Menschen geholfen hatten. 

75 Jahre nach Kriegsende sollte jetzt aber auch für die Schweiz die Zeit gekommen sein, die Befreiung Europas und der Schweiz und damit das Kriegsende zu feiern, statt den Kriegsausbruch. Dabei kann es nicht nur um Erinnerung an Vergangenes gehen. Sondern dies muss sich verbinden mit konkreter Hilfe zugunsten von heute schwer Bedrängten, insbesondere von Geflüchteten. 

Am letzten Tag vor Abbruch der Frühjahrssession habe ich dem Bundesrat in einer Interpellation dazu Fragen unterbreitet. Mit der Corona-Krise leben wir in ausserordentlichen Zeiten. Dies ist aber erst recht ein Anlass, uns die grossen Zusammenhänge in unserer jüngeren Geschichte zu vergegenwärtigen. 

Der 8. Mai ist auch für die Schweiz ein Feiertag!