2019 ist und wird ein Jahr von grossen Bewegungen: Stichwort Klimastreik, Stichwort Frauenstreik. Und das ist nur der Anfang.
Der Streik ist ein friedliches Kampfmittel. Aber ein sehr wirksames Kampfmittel. Ein Streik macht klar, dass es ernst gilt.
Der Streik ist ein klassisches Kampfmittel der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung. Das letzte grosse Beispiel dafür war der erfolgreiche Branchenstreik der Bauarbeiter im letzten Herbst. Ohne Streik wäre es nicht möglich gewesen, das Rentenalter 60 auf dem Bau zu verteidigen. Rentenalter 60 ist die grosse Errungenschaft des grossen Bauarbeiterstreiks von 2002. Die hart arbeitenden Bauarbeiter haben grössere Gesundheitsrisiken und eine tiefere Lebenserwartung als Leute, die gutbezahlt im Büro arbeiten. Die Bauarbeiter lassen sich Rentenalter 60 nicht wegnehmen. Notfalls mit dem Mittel des Streiks.
Der Streik sorgt dafür, dass die Arbeitgeber wieder merken, wie stark sie darauf angewiesen sind, dass gearbeitet wird. Denn es sind die Arbeitenden, die die Arbeit geben. Und die Arbeitgeber sind eigentlich jene, die die Arbeit nehmen.
Der Streik ist ein friedliches Kampfmittel. Und ein Grundrecht in einer Demokratie.
Und der Streik macht Schule, weit über die Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung hinaus. Inzwischen streiken auch Schülerinnen und Schüler. Weil sie nicht mehr hinnehmen wollen, dass gegen den Klimawandel nichts Wirksames unternommen wird.
Und die Bewegung für den neuen Frauenstreik vom 14. Juni wird immer breiter, immer grösser. Viele Junge, und Ältere, auch Frauen, die bereits 1991 mit dabei waren. Es darf nicht noch einmal 50 Jahre dauern, bis die Gleichstellung realisiert ist. Auch die Gleichstellung beim Lohn.
Es liegt vieles im Argen. Bei den Löhnen, den Arbeitsbedingungen. Wo für die Normalverdienenden zu wenig übrig bleibt. Obwohl die Wirtschaft läuft, wie schon lange nicht mehr.
Schauen wir zum Beispiel, was gerade bei den SBB passiert. Den Leuten in der Reinigung soll die Erschwerniszulage, die Schmutzzulage gestrichen werden. Die Schmutzzulage von Fr. 1.45 pro Stunde für jene, die die dreckigste Arbeit verrichten. Auf den WCs. Die Gewerkschaft der Eisenbahner, der SEV, hat ausgerechnet, was es den SBB bringt, wenn man den Leuten in der Reinigung die Schmutzzulage wegnimmt: ganze 200‘000 Franken.
Wir wissen, wie sich der CEO der SBB mit Händen und Füssen dagegen wehrt, dass sein Lohn auf unter eine Million gekürzt wird, gegen die Vorgaben des Bundesrates. Wenn man von dieser Million die 200‘000 Franken abziehen würde, dann wären es immer noch 800‘000 Franken pro Jahr. 800'000 Franken sind ein mehr als dickes Salär. Auch für einen CEO. Erst recht bei einem Bundesunternehmen. Eine Streichung der Schmutzzulage von Fr. 1.45 pro Stunde wäre auf diesem Hintergrund nichts anderes als obszön.
Es stimmt einiges nicht mehr im Verhältnis von unten und oben. Wir verlangen mehr Lohngerechtigkeit. Die Löhne der Manager müssen sinken. Und wenn nicht, dann müssen sie weggesteuert werden.
Und es braucht wieder substanzielle Lohnerhöhungen in den Tieflohnbereichen. Insbesondere bei den Frauen. Löhne unter 4000 Franken oder 22 Franken in der Stunde, zum Beispiel im Detailhandel, sind eine Schande.
Und bei den Massnahmen zum Schutz der Löhne, bei den Lohnkontrollen und bei den Massnahmen zur Durchsetzung der Kontrollen, erträgt es keine Abstriche. Im Gegenteil: Gerade der Grenzkanton St.Gallen hat bei den Lohnkontrollen Nachholbedarf.
Schwer erträglich ist auch das, was bei den Arbeitszeiten passiert. Die Schweiz hat die höchsten Arbeitszeiten in Europa. Niemand kann behaupten, dass wir in der Schweiz zu wenig arbeiten würden. Trotzdem wollen bürgerliche Politiker das Arbeitsgesetz aushöhlen und die Höchstarbeitszeiten auf 60 Stunden pro Woche heraufsetzen. Und die Arbeitszeiterfassung schwächen. Mit dem Ergebnis, dass die Leute in Zukunft vermehrt Gratisstunden leisten müssten. Diese Angriffe auf das Arbeitsgesetz müssen wir stoppen. Wir werden sie stoppen.
Statt immer noch längere Arbeitszeiten ist die fünfte Ferienwoche für alle überfällig. 35 Jahre nach der vierten Ferienwoche. Der Produktivitätsfortschritt muss sich auch bei den Arbeitszeiten auswirken.
Überhaupt braucht es wieder mehr Respekt, mehr Wertschätzung für die arbeitenden Menschen. Für die grosse Zahl jener, die die Wirtschaft, die Unternehmen, die privaten und die öffentlichen und unseren Service Public tragen, Tag für Tag.
Dies gilt auch für die Älteren, gerade für die Langjährigen unter ihnen. Eine Verbesserung des Kündigungsschutzes für die langjährigen Älteren ist überfällig.
Und Fortschritte braucht es nicht nur beim Lohn, sondern endlich auch wieder bei den Renten. Es ist ein historisch erstmaliger Vorgang, dass die Renten der Pensionskassen für die künftigen Rentnerinnen und Rentner sinken und immer schlechter werden, obwohl sie immer mehr zahlen. Das Ziel, dass die Renten der AHV und der Pensionskasse die Fortsetzung des bisherigen Lebens möglich machen sollen, ist in Gefahr. – Fortschritte bei den Renten zu zahlbaren Preisen gibt es nur über die AHV. Dafür muss die AHV aber zuerst wieder in die schwarzen Zahlen kommen. Mit der Zusatzfinanzierung von zwei Milliarden.
Wenn dies gelingt, sind wir vielleicht näher an höheren AHV-Renten als viele denken. Ende 2016 waren es über 40%, die einer Rentenverbesserungen von 10% zugestimmt haben – AHVplus. Ende 2017 waren es bereits über 47%, Altersvorsorge 2020. Das nächste Mal kann es gelingen. Dafür aber braucht es schwarze Zahlen bei der AHV.
Nötig sind Fortschritte auch bei den Krankenkassenprämien. Über alles gesehen haben wir in der Schweiz ein qualitativ sehr gutes Gesundheitswesen. Aber es ist sehr unsozial finanziert. In keinem anderen Land müssen die Leute so viel direkt aus der eigenen Tasche zahlen, von Selbstbehalten über die Franchise bis hin zu Medikamenten und dem Zahnarzt. Und die Krankenkassenprämien werden immer mehr zur drückenden Last. Deshalb soll niemand höhere Prämien bezahlen als 10% des Nettoeinkommens. Die neue Volksinitiative setzt den nötigen Druck dafür auf. Es ist wichtig, dass sie rasch zustande kommt.
Und es muss Schluss sein mit der Politik gegen die Armen. Es ist erschreckend, dass in unserem reichen Land Hunderttausende unter der Armutsgrenze sind. Wer arm ist, ist nicht frei. Armut beeinträchtigt die Menschenwürde. Wir haben genug von der Politik der SVP, die gegen Ausländerinnen und Ausländer und gegen Arme hetzt. Wir dürfen nicht zu den Armenjagden des 19. Jahrhunderts zurückkehren. Und das systematische Abschieben der Armen in die Städte ist eine Schande.
Wir müssen die Ausgrenzung und die Hetze offensiv bekämpfen. So wie wir das mit unseren Kampagnen gegen die Durchsetzungsinitiative und gegen die Anti-Menschenrechtsinitiative der SVP erfolgreich gemacht haben. Diesen Einsatz von uns allen braucht es, für eine offene und solidarische Schweiz.
Dies auch deshalb, weil Aussenminister Cassis die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz vom Prinzip der Solidarität auf nationalen Egoismus umpolen will. Ausgerechnet in der Schweiz, einem der reichsten Länder der Erde. Eine Umorientierung der Rolle der Schweiz in der Welt ist nötig. Aber nicht in Richtung nationaler Egoismus. Sondern in Richtung von mehr Verantwortung. Auch mehr Verantwortung für die Schweizer Konzerne. Mit der Konzernverantwortungsinitiative.
Der 1. Mai steht für die Kraft der Solidarität. Es lebe die Solidarität! Es lebe der 1. Mai.