Noch kein Jahr ist es her, seit der Nationalrat im letzten Dezember zum neuen CO2-Gesetz einen Scherbenhaufen produziert hat. Im Januar begannen die Klimademonstrationen und Klimastreiks. Seither haben sich die Dinge fundamental verändert. Nicht beim Klima. Aber bei der Bereitschaft, endlich politisch zu handeln. Auch bei uns in der Schweiz.
Die vorberatende Kommission unseres Rates hat bei dieser veränderten Ausgangslage den Ball aufgenommen und legt einen Entwurf vor, der vor kurzem so noch schwer vorstellbar war. Die Vorschläge der Kommission überholen den Bundesrat. Und der Bundesrat selber ist in Bewegung: mit dem neuen Ziel von netto Null bis 2050. Trotzdem stehen wir noch am Anfang.
Eigentlich hätte man es schon lange wissen können. Und wissen müssen. Aber erst die Klimajugend hat klar gemacht, dass es so nicht weitergehen kann. Die Klimabewegung ist die grösste weltweite Jugendbewegung seit 1968, und wahrscheinlich ist sie weit grösser als damals. Und nachhaltiger. Es geht ja auch um mehr: Um nicht weniger als um die Zukunft unseres Planeten.
Der amerikanische Autor David Wallace-Wells hat es so formuliert: Der Klimawandel ist für die Menschheit eine grössere Bedrohung als die Atombombe. Das sagt eigentlich alles. Aber trotz Kyoto und trotz der Pariser Klimakonferenz: Die reale Entwicklung geht immer noch in die falsche Richtung. Es braucht eine gewaltige Wende. Hier und weltweit.
Die Entscheide des Ständerates in dieser Debatte werden für die Schweiz wegweisend sein. Auch wenn sie nur ein Zwischenschritt sind. Nach den Wahlen, absehbar von der Klimabewegung geprägt, ist dann in neuer Zusammensetzung der Nationalrat gefragt. Denn was wir hier beschliessen, genügt bei weitem nicht.
Wir stehen mitten in einem grossen kollektiven Lernprozess. Die nächsten vier Jahre, die nächste Legislatur, werden für die Weichenstellungen in der Klimapolitik entscheidend sein. Die weltweite Klimaforschung ist sich einig: Wenn der Absenkpfad nicht bis 2030 gelingt, werden die Risiken unabsehbar, Stichwort Rückkoppelungseffekte.
Ich möchte mich beim Eintreten darüber hinaus auf wenige Punkte beschränken. Beginnend mit der Mobilität, dem Verkehr, dem für die Schweiz mit Abstand kritischsten Bereich. Klimapolitisch kann es nicht darum gehen, Mobilität zu verbieten oder zu verteufeln, sondern dafür zu sorgen, dass sie nicht klimaschädlich ist. Die Bahn, überhaupt der öffentliche Verkehr, sind die Verkehrsmittel der Zukunft. Die grossen Bahnausbauprojekte der letzten Jahre und Jahrzehnte werden uns dabei helfen. Die Verkehrspolitik der kommenden Jahre muss auf den öffentlichen Verkehr ausgerichtet werden, verbunden mit der Förderung des Langsamverkehrs in Städten und Agglomerationen. Zur Förderung des öffentlichen Verkehrs gehören auch die Preise: Der öffentliche Verkehr muss preislich attraktiv sein.
Grossen Nachholbedarf haben wir bei den grenzüberschreitenden Verbindungen. Es ist eine Fehlentwicklung, wenn in Europa so viel geflogen wird. In Kontinentaleuropa muss die Bahn wieder das Verkehrsmittel der Zukunft werden. Es muss dafür gesorgt werden, dass Flüge in Kontinentaleuropa nicht mehr billiger sind als die entsprechende Bahnverbindung. So wie es in den Gastwirtschaftsgesetzen heisst, dass das billigste nichtalkoholische Getränk nicht teurer sein darf als eine Stange Bier.
Für wirksame Massnahmen zum Schutz des Klimas ist die politische Intelligenz gefordert. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, die Klimapolitik mit der sozialen Frage zusammenzudenken. Das wird für die nötigen Mehrheiten entscheidend sein.
Mit dem Konzept der Lenkungsabgabe gibt es dafür ein wirksames Instrument. Der Kanal der Rückerstattung von Belastungen über die Krankenkassenprämien hat dabei die besten Perspektiven. Alle klagen über die hohen Krankenkassenprämien. Wenn die Rückerstattungen einmal pro Jahr über 1000 Franken liegen und pro Monat über 100 Franken, dann sieht die Rechnung für die Haushalte mit tieferen und mittleren Einkommen plötzlich ganz anders aus.
Dafür darf man das Konzept der Lenkungsabgabe aber nicht mit der Finanzierung von Investitionen verwässern. Für Investitionen im Klimabereich ist der öffentliche Haushalt gut gerüstet. Erst recht in einer Zeit von Negativzinsen, wo die Kapitalmärkte dem Bund für jede Investition noch Geld bezahlen.
Eine intelligente Realpolitik muss auch dafür sorgen, dass die Klimapolitik sich bezüglich Arbeitsplätzen positiv auswirkt. Und sie muss die Finanzflüsse miteinbeziehen. Wir haben mit einer Billion Franken bei den Pensionskassen und 500 Milliarden bei der Nationalbank bei der Bekämpfung klimaschädlicher Investitionen via Finanzsektor einen gewaltigen Hebel.
Schliesslich dürfen wir auch das Potenzial technologischer Entwicklungen nicht unterschätzen, wenn wir das in einer klimapolitisch positiven Perspektive sehen. Noch nicht lange ist es her, seit die Solarenergie nur für die Warmwasseraufbereitung taugte. Seither hat die Technologie Quantensprünge gemacht. Solche Entwicklungen müssen gefördert werden.
Zum Schluss: Der Klimawandel seit der Industrialisierung, und forciert in den wenigen Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg, ist menschengemacht. Wenn wir so weitermachen, laufen wir Gefahr, unsere Atmosphäre in nur zwei, drei Generationen kaputtzumachen. Die menschliche Intelligenz muss es schaffen, in grosser Dringlichkeit, das Steuer herumzuwerfen und die richtige Politik für eine wirksame Politik gegen den Klimawandel einzuleiten. Auch hier in der Schweiz.
Denn es liegt an den heute politisch Verantwortlichen, ihre Verantwortung wahrzunehmen und Entscheide auf der Höhe der Herausforderung zu treffen. Nehmen wir diese Verantwortung während den kommenden Beratungen wahr!