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11. Mai 2019

Blog

Which side are you on?

Anni Lanz hat mit ihrem mutigen Handeln wichtige Zeichen gesetzt. Der Anerkennungspreis der Paul Grüninger Stiftung ehrt sie dafür.



Die Schweiz liegt nicht am Mittelmeer. Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU. 
Aber die Schweiz ist Teil von Europa. Nicht nur weil wir uns, privilegiert wie wir sind, in ganz Europa frei bewegen können. Wir sind einbezogen in die grossen Fragen von Flucht und Migration. Und einbezogen in Dublin und Schengen. 
Auch bei uns ist die Kriminalisierung der Hilfe für flüchtende Menschen in Not weit fortgeschritten. 

Anni Lanz hat mit ihrer Hilfe für Menschen in akuter Not grossen Mut bewiesen. Immer wieder. Und besondere Menschlichkeit. Zuletzt, als sie einen schwer traumatisierten afghanischen Mann zurück in die Schweiz bringen wollte. Er war nach den Dublin-Regeln nach Italien verbracht worden, wo er unter elenden Verhältnissen dahinvegetierte. 
Dafür, dass sie einem geflüchteten Menschen in grosser Not geholfen hat, wird Anni Lanz nun strafrechtlich verfolgt. 
Für ihr mutiges und menschliches Handeln über Jahrzehnte hinweg wird Anni Lanz der Anerkennungspreis der Paul Grüninger Stiftung zugesprochen.

Die Verleihung des Preises der Paul Grüninger Stiftung ist eine konkrete und öffentliche Intervention. Gegen unhaltbare Zustände. Gegen die Verdrehung dessen, was Recht und was Unrecht ist.
Wer gegenüber Menschen in Not Solidarität beweist, wer Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung gewährleistet, begeht kein Delikt. Wer Flüchtlingen hilft, ist solidarisch, nicht kriminell. Kriminell ist es, Menschen in grosser Not im Stich zu lassen. 
Die Begriffe von Recht und Unrecht verschieben sich, werden pervertiert, wenn Unmenschlichkeit zur offiziellen Praxis und Menschlichkeit kriminalisiert wird.

Auch die Praxis des Ausländerrechts muss sich an den Menschenrechten und an den Grundprinzipien der Verfassung messen lassen. Die Notstandshilfe ist im Strafrecht ein Rechtfertigungsgrund. Die Würde des Menschen als Mensch und nicht nur jene als Schweizer Bürger ist zu achten und zu schützen, heisst es in der Bundesverfassung. Das Recht auf Leben ist unantastbar. Und wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, sich selbst zu helfen, hat nach unserer Verfassung das Recht auf Hilfe und die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. 

Diese Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats sind in Gefahr. Wenn es zur behördlichen Politik wird, dass Menschen verelenden. Oder wenn man sie wie im Mittelmeer gar zugrunde gehen lässt. 
Wie das Beispiel von Paul Grüninger zeigt, braucht es vor solchen Herausforderungen Mut, Zivilcourage, Verantwortung. Und Menschlichkeit. Das Gewissen kann nicht an die Behörden, den Staat delegiert werden. 

Aber umgekehrt gilt es auch, darauf zu beharren, dass der Umgang des Staates – es ist auch unser Staat – mit flüchtenden Menschen sich an Gerechtigkeitsprinzipien orientieren muss. Und nicht an den Kampagnen jener, die die Fremdenfeindlichkeit politisch bewirtschaften. Oder den rücksichtslosen nationalen Egoismus.
Es kommt darauf an, wer die Stimme erhebt. Gerade heute wieder. In Europa. In der Schweiz. Weltweit. Praktizierte Unmenschlichkeit funktioniert in einer Demokratie nur dank Schweigen. Einem Schweigen, das als Zustimmung gelesen wird. 

Which side are you on? Anni Lanz hat mit ihrem mutigen Handeln wichtige Zeichen gesetzt. Der Anerkennungspreis der Paul Grüninger Stiftung ehrt sie dafür. Stellvertretend auch für viele andere, die grosse Menschlichkeit bewiesen und dafür auch vor Verfolgung nicht zurückgeschreckt sind.