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21.09.21

Blog

Eine unbeliebte, aber gerechte Steuer

Einmal mehr steht die Abschaffung des Eigenmietwerts zur Debatte. Und damit eine steuerliche Begünstigung der bereits Privilegierten. Das Votum im Ständerat.



Was lange gedauert hat, ist trotzdem nicht gut. Im Gegenteil. Viele Jahre hat die Kommission nun an einer Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts herumgebastelt. Es handelt sich dabei um eine alte Forderung des Hauseigentümerverbands, die in Volksabstimmungen immer wieder gescheitert ist. Was bei dieser Bastelei herausgekommen ist, ist im Ergebnis kein Haar besser als die Vorlagen, die in den Volksabstimmungen jeweils zurückgewiesen worden sind.

Es ist nichts Neues, dass sich manche Hauseigentümer über die Steuern und insbesondere über die Besteuerung des Eigenmietwerts aufregen. Dabei fahren die Hauseigentümer gegenüber den Mieterinnen und Mietern steuerpolitisch schon heute sehr gut, bedingt dadurch, dass die Mietwerte regelmässig 60 bis 70 Prozent unter den Marktpreisen liegen. Und bedingt durch die tiefen amtlichen Werte für die steuerliche Bewertung der Liegenschaften bei der Bemessung der Vermögenssteuer. Die heutigen steuerlichen Privilegien der Hauseigentümer würden aber durch die Abschaffung des Eigenmietwerts noch einmal massiv ausgebaut.

Ich möchte Ihnen aus steuerpolitischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen dringend empfehlen, auf diese missratene Vorlage nicht einzutreten. Sie widerspricht dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit diametral. Und sie würde zu unabsehbaren Steuerausfällen von bis zu 1,7 Milliarden Franken für Bund und Kantone führen.

Steuerpolitisch und steuerrechtlich kann nicht bestritten werden, dass der Eigenmietwert ein Naturaleinkommen darstellt, wie der Gesetzgeber, aber auch das Bundesgericht immer wieder festgehalten hat. Jeder Mensch muss wohnen. Wer im eigenen Haus wohnt, spart sich die Miete. Und bezieht dadurch ein Naturaleinkommen. Erst der Eigenmietwert gewährleistet die steuerliche Gleichstellung mit den Mieterinnen und Mietern.

Die steuerpolitischen Leitsterne sind die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung und die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Diese Grundsätze würden gegenüber den Mieterinnen und Mietern durch die Abschaffung des Eigenmietwerts gravierend verletzt. Aber verletzt würden sie nicht nur gegenüber den Mieterinnen und Mietern, also der klaren Mehrheit der Bevölkerung. Eine steuerpolitische Schieflage ergäbe sich auch unter den Hauseigentümern selbst.

Die Professoren Marius Brülhart und Christian Hilber haben ausgerechnet, welche Effekte es hätte, wenn der Eigenmietwert abgeschafft würde. Die Eigenheimbesitzer fahren schon mit dem heutigen System massiv besser als die Mieterinnen und Mieter, vor allem auf längere Sicht. Und unter den Hauseigentümern nochmals jene, die schuldenfrei sind, gegenüber denen, die sich das Eigenheim nur mit Hypotheken leisten können. Und dieser Vorteil der reichen Hauseigentümer würde nochmals massiv gesteigert, wenn es keinen Eigenmietwert mehr gäbe. Wenn man den heutigen Zustand kritisiert, dann darf man ihn nicht noch mit neuen Privilegien für die sowieso schon begünstigten Eigentümer verschlimmern. Im Gegenteil gilt es die Unterbesteuerung des Eigentums zu korrigieren. Dafür sind Mehrheiten aber bis auf weiteres nicht in Sicht, wenigstens nicht im Parlament.

Wie eine Studie der Eidgenössischen Steuerverwaltung ergeben hat, gehörten Wohneigentümer schon immer stark überwiegend den oberen oder obersten Einkommensklassen an. Bei Einkommen über 200'000 Franken wohnen über 85 Prozent in den eigenen vier Wänden. Bei Einkommen unter 70'000 Franken sind es weniger als 20 Prozent. Und bei dieser Minderheit sind viele AHV-Rentnerinnen und -Rentner, die das Eigentum während der Erwerbsphase erworben haben.

Die extreme Vermögensentwicklung im Immobiliensektor hat sich in den letzten Jahren weiter zugespitzt. Wohneigentum ist für grosse Teile der Bevölkerung unerschwinglich geworden. Die Preise für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser haben sich in den letzten 15 Jahren fast verdoppelt. Die verfügbaren Einkommen pro Kopf sind in dieser Zeit um weniger als 20 Prozent gestiegen. Das heisst nichts anderes, als dass Wohn- und Hauseigentümer in den vergangenen zwei Jahrzehnten von starken Wertsteigerungen profitiert haben, von denen alle anderen nur träumen können.

Was bedeutet die Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts auf diesem Hintergrund ökonomisch? Nichts anderes als eine steuerliche Begünstigung der bereits Privilegierten. Und eine weitere steuerlich angetriebene Wertsteigerung des Wohneigentums. Erst recht beim heutigen Zinsniveau.

Somit gilt: Die Abschaffung des Eigenmietwerts ist nichts anderes als eine Vorlage zur Begünstigung einer kleinen Schicht von vermögenden Haushalten. Auf Kosten aller anderen.

Wenn es um die Spezialfälle der Rentnerinnen und Rentnern mit kleinen Einkommen geht, so haben die Kantone bereits Lösungen gefunden, mit einer Härtefallklausel für Rentnerinnen und Rentner. Aber wegen der Rentner mit tiefen Einkommen gleich ein ganzes System zu kippen, wäre die dümmste und ungerechteste Antwort auf eine spezielle Konstellation.


Ich bitte Sie deshalb, diesen grossen Anschlag auf die Steuergerechtigkeit abzuwenden. Der Eigenmietwert mag zwar unbeliebt sein. Er sorgt aber für ein Stück Gerechtigkeit.