Einen so grossen Paul Rechsteiner wie dieses Mal gab es bei den früheren Plakaten noch nie. Wie kam es dazu?
«Das liegt letzten Endes am Claim, ‹Den Brauchts›. Diese Direktheit und Klarheit versuchten wir auch im Bild zu zeigen. Lange waren noch ganz andere gestalterische Richtungen im Rennen, aber als wir dann die Favoriten in Echtgrösse ausgedruckt und an die Wand gehängt hatten, war es eindeutig: Paul Rechsteiner braucht eine gewisse Grösse.»
Als erstes fällt die Aufnahme im Profil ins Auge. Eigentlich fast schon provokativ: Römische Kaiser liessen ihr Profil in Münzen prägen.
«Klar, das Porträt wirkt visionär, stark, selbstbewusst. Aber gar nicht überheblich. Was auffällt ist zuerst diese Nase, ich würde sagen die Nase ist ein markantes Merkmal von Paul Rechsteiner. Es gab diverse Entwürfe mit anderen Aufnahmen. Aber es war nie der echte ‹Paul›.»
Gab es Vorbilder für diese spezielle Aufnahme im Profil?
«Ich kenne kein anderes Plakat, das einen Politiker von der Seite zeigt. In der Kunstgeschichte gibt es das berühmte Diptychon des Federico da Montefeltro mit seiner Gattin Battista Sforza, das den Renaissance-Herzog mit markantem Profil zeigt, aber daran haben wir uns erst spät erinnert.
Inspirierend war für uns aber immer die visuelle Sprache der Plakate von Helmut Kohl, auf denen ‹Der Kanzler kommt› zu lesen war.»
Was waren denn die anderen Richtungen, in die ihr gearbeitet hattet?
«Neben dem Porträt-Ansatz waren lange Zeit ‹filmische› Entwürfe im Rennen. Diese hätten Rechsteiner ‹in Aktion› in verschiedenen Momenten in Menschengruppen gezeigt. Im Gespräch, als Aktivist. Nicht so sehr als Politiker.»
Warum fiel dieser Ansatz raus?
«Mehr noch als das finale Plakat hätte das Filmische mit Konventionen gebrochen. Es war zu komplex und zu wenig plakativ. Vielleicht wollten wir zu viel vermitteln, zu viel, als man mit einem Plakat vermitteln könnte. Man wäre mit den Augen hin- und hergesprungen. Wir haben uns dann einstimmig dagegen entschieden.»
In den Plakaten der früheren Wahlen brachten schiefe Elemente Dynamik ins Plakat. Dieses Mal steht nichts schief.
«Die Dynamik kommt dieses Mal vom Profil. Die Seitenansicht gibt eine Richtung an. Vor vier Jahren hatten wir die Ausrufezeichen, die als ‹Superzeichen› über dem Porträt standen. Sie boten für die Betrachtung ein starkes Profil. Diese Aufgabe übernimmt dieses Mal das Profil von Paul Rechsteiner.»
In den zwei Plakaten vor acht Jahren lag der Schwerpunkt stark auf dem Schriftzug, während das Porträt nur wenig Raum füllte. Was steckt diesmal hinter der Typografie?
«Wir haben den Font ‹Girott› gewählt, welcher zwischen 2012 und 2016 gezeichnet wurde. Seine komprimierten Formen haben trotz einer gewisse Strenge etwas verspieltes, fast schon comic-haftes. Einige der früheren Entwürfe erinnerten an die Bildsprache aus den 1950ern oder 60ern. Die eigenwilligen Züge der jetzt gewählten Schrift bringen uns hingegen klar in die heutige Zeit.»
Wie lange dauerte der Findungsprozess?
«Es gab bestimmt über 250 Entwürfe. In vielen Zwischenschritten haben wir über längere Zeit immer wieder gefeilt: da hat Lea Fischlin etwas ausprobiert, dann hat Jonas Voegeli etwas ausprobiert und dann habe ich wieder etwas ausprobiert. Und manchmal gleichzeitig. Schlussendlich ist das Plakat im Plenum entstanden.»
Ihr habt in der Vergangenheit auch die Plakate gegen die «DSI» oder Anti-Menschenrechtsinitiative gestaltet. Zweifelsfrei ragt ihr in der Landschaft der politischen Plakatkunst heraus. Was unterscheidet Eure Arbeiten?
«Bei Wahlplakaten übernimmt die Typographie bei uns oft die Funktion eines Bildes. Wörter werden zu Bildern und sind dadurch besonders einprägsam. Diese Einfachheit gefällt mir: wenn ein Plakat einen möglichst klaren Ansatz verfolgt oder ein klares Statement setzt. Oft haben die Plakate etwas Ikonographisches: Die ‹NEIN› gegen die DSI oder die Anti-Menschenrechtsinitiative kamen wie ‹Superzeichen› daher.»
Dieses Jahr sind eure politischen Plakate für den Design Preis Schweiz nominiert. Die Jury schreibt, eure Arbeit richte sich auch «gegen eine Verrohung der politischen Bildkultur, die sich in einer zunehmend aggressiven und von Ressentiments gekennzeichneten visuellen Sprache manifestiert.»
«Wir könnten kein politisches Plakat gestalten, bei dem wir nicht auch dahinterstehen. Es freut deshalb, dass wahrgenommen wird, was mir machen.»
Das Gespräch führte Tim Rüdiger.