Die Auseinandersetzung begann damit, dass der World Jewish Congress 50 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs den Druck auf die Schweizer Banken erhöhte, den Verbleib nachrichtenloser Vermögen von Opfern des Nationalsozialismus endlich glaubwürdig und unabhängig zu klären. Dies war vorher während Jahrzehnten immer wieder sabotiert und verweigert worden. Der Druck führte zur Einsetzung der sogenannten Volcker-Kommission, die ihre Arbeit Jahre später erfolgreich abschloss.
Innenpolitisch beschloss das Parlament parallel dazu die Einsetzung einer «Unabhängigen Historikerkommission Schweiz- Zweiter Weltkrieg» (UEK, nach ihrem Vorsitzenden auch «Bergier-Kommission» genannt). Das dafür nötige Gesetz wurde im Dezember 1996 einstimmig verabschiedet.
Kaum zwei Wochen später sah Bundespräsident Delamuraz in einem Interview einen «starken politischen Willen» am Werk, «die Schweiz zu destabilisieren und zu kompromittieren». Den «Schaltstellen» in Washington und London gehe es um nichts anderes als um die Zerstörung des Finanzplatzes Schweiz. Das Interview gipfelte in der Feststellung, dass diese «Operation», auch wenn sie günstig ende, in der Schweiz antisemitische Reaktionen auslösen werde.
Das Interview hatte ein gewaltiges Echo. Einerseits in der Weltpresse, was dazu führte, dass der Bundespräsident die Wirkungen seines Interviews – und nicht etwa seinen Inhalt – bedauerte. Andererseits in der Schweiz mit einer «Woge des Antisemitismus» (Aram Mattioli), die Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg nicht mehr für möglich gehalten worden wäre.
Das konnten und wollten wir nicht hinnehmen: Wir, «eine kleine, heterogene Gruppe von Leuten verschiedener Herkunft» (Madeleine Dreyfus). Am 21. Januar 1997 traten wir in den wichtigen Tageszeitungen mit einem von Stefan Keller formulierten Manifest an die Öffentlichkeit. (hier finden Sie ein damaliges Inserat mit dem Text des Manifests)
Das Echo war stark und überwiegend positiv. Aus den zweihundert Erstunterzeichnenden wurden in kurzer Zeit über 3700. An der Pressekonferenz in Bern traten ausser der Autorengruppe auch Peter Bichsel und der Mime Dimitri auf.
Das Manifest vom 21. Januar 1997 konnte nichts daran ändern, dass das Geschichtsbild der Schweiz umstritten blieb. Es polte aber die Diskussion über den spezifisch schweizerischen Antisemitismus neu. Welche Rolle das Manifest im Umgang mit dem Antisemitismus in der Schweiz längerfristig spielte, müsste vertieft untersucht werden. Kurzfristig handelte es sich aber um eine sehr wirksame – und dringend nötige – Intervention. Auch zur Stärkung der schweizerischen Demokratie.
Eine Dokumentation der Auseinandersetzung ist als Büchlein erschienen und kann hier bestellt werden.
Hier finden Sie einen damaligen Beitrag der Tagesschau.