Der Reformbedarf bei den Unternehmenssteuern ist unbestritten. Die Sonderbehandlung der privilegierten Gesellschaften ist unhaltbar geworden. Überhaupt und erst recht im gewandelten internationalen Umfeld. Auch die Schweiz muss nach den Regeln spielen. Eine Steuerpolitik, die auf Steuerdumping setzt, hat keine Zukunft.
So richtig die Abschaffung der Steuerprivilegien ist, so falsch ist es, die Reform mit einer allgemeinen Senkung der Gewinnsteuern zu verbinden. Genau das ist der grosse Haken dieser Vorlage. Ich beschränke mich hier auf drei generelle Bemerkungen.
Die Erfindung der juristischen Person war eine grosse Leistung. Dass nicht nur natürliche Personen, wir alle, Rechte und Pflichten haben können, sondern auch juristische Personen, Körperschaften, rechtsgültig handeln und Verträge abschliessen können, war ein Fortschritt und die Voraussetzung jedes entwickelten Wirtschaftssystems. Wenn Unternehmen aber Rechte haben können, dann haben sie auch Pflichten. Zu den Pflichten gehört es, Steuern zu bezahlen.
Dass Unternehmen plötzlich immer weniger Steuern bezahlen sollen, ist eine jüngere Entwicklung. Aber eine Fehlentwicklung. Denn die Unternehmen brauchen genauso wie die natürlichen Personen einen funktionierenden Staat. Eine funktionierende Infrastruktur. Wer sorgt dafür, dass die Unternehmen auf gut ausgebildete Arbeitskräfte zurückgreifen können? Es gäbe keine erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit, wenn der Staat nicht für eine gute Bildung und Ausbildung der Menschen sorgen würde. Die Unternehmen brauchen genauso wie alle anderen intakte Strassen und einen leistungsfähigen öffentlichen Verkehr. Und sie sind genauso wie alle anderen darauf angewiesen, dass der Rechtsstaat funktioniert und die Sicherheit gewährleistet ist. Wer das alles will, muss aber auch dafür sorgen, dass das finanziert wird. Alle müssen ihren Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Leistungen erbringen. Es ist eine Fehlentwicklung, wenn sich die Unternehmen immer stärker um die Bezahlung der Rechnung drücken.
Die Unternehmenssteuern sind in den letzten zwanzig Jahren immer mehr unter Druck geraten, beim Bund und durch einen fatalen Steuersenkungswettlauf in den Kantonen. Was bedeutet es, wenn die Unternehmen immer weniger Steuern zahlen? Nichts anderes, als dass die natürlichen Personen über direkte und indirekte Steuern für einen immer grösseren Teil des Steueraufkommens sorgen müssen. Und das, obschon die Wirtschaft über alles gesehen gut läuft. Unternehmen, denen es weniger gut geht, zum Beispiel wegen des überbewerteten Frankens, zahlen ja weniger bis keine Gewinnsteuern. Der überbewertete Schweizer Franken ist also ein schlechtes Argument für eine generelle Senkung der Unternehmenssteuern.
Eine generelle Senkung der Unternehmenssteuern hat weitere perverse Effekte. Sie fördert neue Steuerprivilegien für Reiche. Diese können die Besteuerung durch die Gründung von Kapitalgesellschaften umgehen. Und weil wir noch immer keine Kapitalgewinnsteuer kennen, können sie die Gewinne später steuerfrei wieder ins Privatvermögen verschieben.
Wirtschaftlich führt die Abwärtsspirale bei den Unternehmenssteuern auch zu einer einseitigen Begünstigung ausländischer Aktionäre. Durch die Absenkung der Unternehmenssteuern müssen diese im Effekt immer weniger zu den staatlichen Leistungen beitragen. Obwohl erst der funktionierende Staat den Unternehmen die Gewinne und den Aktionären die Dividenden ermöglichen.
Eine zweite Feststellung: Die Senkung der Unternehmenssteuern reisst ein neues Loch in die Bundeskasse. Wir sind schon wegen der verschlechterten Einnahmenentwicklung infolge der Frankenüberbewertung mit Sparprogrammen konfrontiert. Und jetzt soll alles noch verschärft werden, nur damit die Kantone den Unternehmen die Steuern senken können. Am Schluss sollen also die Leistungen für die Bevölkerung verschlechtert werden, nur damit Unternehmen weniger Steuern bezahlen müssen. Leistungsabbau für die Bevölkerung auf der einen Seite, neue Subventionen für die Senkung der Unternehmenssteuern auf der andern: Das ist grotesk.
Nehmen wir das Beispiel der AHV. Der Bundesrat wollte parallel zum Steuerabbau der Unternehmen, der durch den Bund finanziert werden soll, den Bundesbeitrag an die AHV abbauen. Eine solche Politik auf dem Buckel der AHV wird direkt in die Wand fahren. Der Ständerat hat in Bezug auf die AHV im Herbst die richtigen Entscheide gefällt. Bei der AHV erträgt es keinen Abbau des Bundesbeitrags. Im Gegenteil: Der Bund muss seinen Beitrag auch in Zukunft leisten. Wenn es Spielraum gibt, dann bei den neuen Subventionen für die Senkung der Unternehmenssteuern, die mit dieser Vorlage vorgesehen sind.
Wenn die Kantone – gewisse Kantone, nicht alle – auf Beiträge angewiesen sind, dann doch gescheiter nicht flächendeckend, sondern über den Finanzausgleich. Das erlaubt zielgerichtete Unterstützungsbeiträge.
Noch etwas: Die Kantone können via Übergangsbestimmungen – ich spreche von Art. 78g StHG – die heutigen Steuerprivilegien über fünf Jahre hinaus beibehalten. Weshalb also in diesen Jahren neue Bundessubventionen für Unternehmenssteuersenkungen, wenn die alten Privilegien noch weiterbestehen?
Eine dritte und letzte Bemerkung. Die Unternehmenssteuerreform II aus den Zeiten von Bundesrat Merz war die wohl problematischste Steuervorlage, die der Bund je gesehen hat. Noch nie zuvor musste das Bundesgericht feststellen, dass der Bundesrat die Bevölkerung vor der Volksabstimmung systematisch irregeführt und dadurch die Abstimmungsfreiheit massiv verletzt hatte. Diese Vorgänge im Unternehmenssteuerbereich haben dem Vertrauen in Behördenvorlagen stark geschadet. Immerhin, das ist positiv, soll die Dividendenbesteuerung jetzt mit dieser neuen Vorlage wieder korrigiert werden. Nicht nur für den Bund, auch für die AHV ist das ein dringend nötiger Schritt, hat doch die Unternehmenssteuerreform II mit der Privilegierung der Dividenden auf Kosten der Löhne unserem wichtigsten Sozialwerk schwer geschadet.
Alles in allem ist die Modernisierung der Unternehmensbesteuerung sehr zu begrüssen. Die Schweiz muss Teil der weltweiten Bemühungen für faire Unternehmenssteuern werden. Dies aber nicht durch eine weitere Absenkung der schon heute tiefen Unternehmenssteuern. Die Schweiz bleibt auch mit fairen Unternehmenssteuern ein hochattraktiver Wirtschaftsstandort.