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13. Juli 2015

Blog

Vier Tipps für den heissen Lese-Sommer

Gute politische Literatur ermöglicht grössere Zusammenhänge zu erkennen und Alternativen aufzuzeigen.


Gelegentlich übertrifft die Realität die Literatur. Das könnte einem bei den gegenwärtigen Vorgängen rund um Griechenland einfallen. Griechenland soll eine noch eine grössere Dosis jener Rezeptur schlucken, die schon in der Vergangenheit zu Verwüstungen geführt hat. Ein Denken in Alternativen scheint der EU in ihrer gegenwärtigen Verfassung fremd.
Manchmal stösst man aber auf Literatur, die Zustände so klug und präzise beschreiben, dass sie den Blick auf grosse Zusammenhänge öffnen und dadurch Vorstellungen über Alternativen auftun.


So zum Beispiel George Packers «Die Abwicklung», eine präzise Beschreibung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der USA im Verlauf der letzten vier Jahrzehnte. Anhand vielstimmiger Lebensgeschichten von Menschen quer durch das Land zeichnet Packer ein düsteres Bild der amerikanischen Gesellschaft, die einst der Inbegriff von Fortschritt und Wohlstand war. Er macht damit auf beklemmende Weise deutlich, zu welchen Verheerungen die Umsetzung neoliberaler und neokonservativer Theorien bis in feinste Verästelungen konkreter Biografien hineingeführt hat. Eine vergleichbare Beschreibung der Entwicklung Europas gibt es noch nicht.


Eine ganz andere, nicht minder eindrucksvolle dokumentarische Arbeit kommt aus dem Osten. Sie handelt von den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und insbesondere von Russland. Swetlana Alexijewitsch beschreibt in ihrem grossen Werk «Secondhand-Zeit» Schicksale von Menschen, die die letzten Jahrzehnte in der ehemaligen Sowjetunion zugebracht haben. Die lebensnahen, oft schwer erträglichen Schilderungen der Protagonistinnen und Protagonisten gehen unter die Haut.


Und noch ein Lesetipp zur Erweiterung des geographischen Horizonts: Die grossartige Studie des Belgiers David von Reybrouck mit dem Titel «Kongo». Ein vielschichtiges, vielstimmiges, packend geschriebenes Monumentalwerk über die traurige, aber auch vitale Geschichte dieses gewaltigen Landes mit seiner reichen Kultur. Wenige Jahre nach seinem Erscheinen ist das Buch bereits ein Klassiker.


Und schliesslich: Wer sich mit der Schweiz und ihrer Geschichte beschäftigen will, dem sei das Buch «Mitten in Europa» von André Holenstein empfohlen. Holenstein ist Professor für ältere Schweizer Geschichte in Bern. Sein anschaulich und auf hohem Niveau geschriebenes Buch ist eine Elementarlektüre für alle, die sich nicht für Mythen interessieren, sondern für die Fakten der langen und vielfältigen Geschichte der Verflechtung der Schweiz mit Europa.

Auf unterschiedliche Weise brauchen alle vier Bücher einen langen Atem. Genau das Richtige für einen heissen Lesesommer.