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31. Mai 2016

Blog

Eine epochale Dummheit verhindern!

Die grossen Wasserkraftwerke gehören zum Service Public der Schweiz und dürfen nicht leichtfertig verspielt werden.

Diga Luzzone

 


Das Positive vorweg: Ich habe die Interpellation gegen den Ausverkauf der Schweizer Wasserkraft im März dieses Jahres eingereicht. Ein paar Wochen später hat der Bundesrat beschlossen, die nächste Etappe der Strommarktliberalisierung vorläufig zu stoppen und auf Eis zu legen. Dieser Schritt lag zwar seit einiger Zeit in der Luft. Dass der Bundesrat jetzt Klarheit geschaffen hat, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

In der Analyse der Probleme der Stromwirtschaft bleibt der Bundesrat aber weit hinter dem zurück, was jetzt gesagt werden müsste. Die gewaltigen Probleme der Schweizer Stromwirtschaft sind die direkte Folge der Strommarktliberalisierung für alle Verbraucher ab 100‘000 Kilowattstunden. Sie ist in der Schweiz gegen den ablehnenden Volksentscheid von 2002 von den Gerichten durchgedrückt worden. Die Folgen sind jetzt da. Es geht den Unternehmen und Werken gut, die im Endverbrauchermarkt auf berechenbare Preise zählen können. Ein Beispiel dafür sind die BKW, aber auch verschiedene Stadtwerke. Es sind gleichzeitig die effizientesten Förderer des Umstiegs auf erneuerbare Energien. Jene dagegen, die sich im liberalisierten Markt bewegen müssen, befinden sich am Rand des Kollapses. Es kommt einem vor wie bei der Liberalisierung der Finanzmärkte. Jene, die aus politischen bzw. ideologischen Gründen die Liberalisierung durchgedrückt haben, beherrschen die Folgen von dem, was sie angerichtet haben, nicht einmal im Ansatz. Am Schluss ist es wieder die Allgemeinheit, die öffentliche Hand, die beim angerichteten Desaster eingreifen muss.

Es geht um unglaublich viel. Die Elektrizität war dem Beginn der Industrialisierung die Schlüsselenergie der Wirtschaft. Und sie ist es geblieben. Nichts funktioniert heute mehr ohne Strom. Und jetzt droht der grosse Ausverkauf der Schweizer Wasserkraft. Alpiq hat angekündigt, die Hälfte seiner Wasserkraftanlagen zu verkaufen. Das ist nur der Anfang.

Und dem Bundesrat fällt dazu nicht mehr ein, als dass die heutige Gesetzgebung zum Eigentum der Energieinfrastrukturen mit Ausnahme der nationalen Netzgesellschaft keine Aussagen mache. Notfalls könne der Bund den Export von Wasserstrom der Bewilligungspflicht unterstellen. Wenn man das liest, fragt man sich, ob die zuständigen Bundesinstanzen begriffen haben, was heute wichtigsten Teilen unserer Energieinfrastruktur droht. Ist er tatsächlich der Meinung, es sei egal, ob die grossen Wasserkraftanlagen in unseren Bergen schweizerisch bleiben oder an irgendwen verscherbelt werden? – Sind wir tatsächlich so weit wie Griechenland, wo der wichtigste Hafen wie Piräus den Chinesen verkauft worden ist? Die Repower aus Graubünden ist jetzt gerade durch die EKZ, die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich, und durch einen UBS-Fonds gerettet worden. Aber wie schweizerisch ist die UBS noch. Bei Alpiq sieht es weit schwieriger aus.

Die grossen Staumauern in unseren Alpen, die Grande-Dixence, Blenio, waren Meisterwerke der Ingenieurskunst. Sie haben unser Land geprägt wie nur wenige Bauwerke zuvor. Sie sind Teil unserer Landschaft, unserer Schweizer Alpenlandschaft, geworden. Sind wir nun tatsächlich so weit, dass jahrzehntelange Errungenschaften, grossartige Werke, an denen ganze Generationen gebaut haben, in einer Verantwortungslosigkeit sondergleichen in wenigen Jahren mit Verweis auf Marktgesetze einfach verspielt werden? Und der Schweiz, den betroffenen Regionen, am Schluss noch alle Risiken bleiben, alles andere aber dem Spiel der internationalen Kapitalmärkte ausgeliefert ist?

Wenn sich die Dinge fundamental ändern, dann müssen wir politisch, dann muss auch der Bundesrat politisch über die Bücher. Könnten wir uns vorstellen, dass das, was jetzt bei der Wasserkraft droht, bei der Post, bei den Autobahnen, bei der Swisscom, den Bahnen möglich wäre?

Die grossen Wasserkraftwerke gehören doch genauso zum Service Public der Schweiz. Zur Basis-Infrastruktur unseres Landes.

Strom ist als Prozessenergie für unser Land unverzichtbar. Die Wasserkraft ist die wichtigste erneuerbare Energie, über die wir verfügen. 60% des Stroms kommt aus der Wasserkraft. Wir müssen zur Wasserkraft Sorge tragen.

Dafür braucht es klare politische Botschaften. Das ist heute das Wichtigste. Und wenn die Gesetze nicht genügen, dann müssen sie halt geändert werden.

Es liegt in der Verantwortung des heutigen Parlaments, des heutigen Bundesrats, dafür zu sorgen, dass nicht in wenigen Monaten oder Jahren die Errungenschaften von Generationen leichtfertig verspielt werden.